Pflegepersonal

Pflegepersonaluntergrenzen

Die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) regelt seit 2018 die Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern. Nachdem die Untergrenzen coronabedingt von März 2020 bis Januar 2021 gänzlich bzw. teilweise ausgesetzt waren, sind sie zum Februar 2021 wieder vollständig in Kraft getreten und erweitert worden. Zum 1. Januar 2022 wurde die PpUGV um die pflegesensitiven Bereiche Orthopädie, spezielle Pädiatrie, neonatologische Pädiatrie sowie Gynäkologie und Geburtshilfe erweitert.

Die coronabedingte Aussetzung der Untergrenzen war richtig, da das Instrument nicht dafür geeignet ist, flexibel auf veränderte Versorgungsbedarfe zu reagieren. In der Praxis erschweren Pflegepersonaluntergrenzen eine gute Versorgung und tragen zur Verschärfung des Fachkräftemangels bei:

  • Um die Untergrenzen einzuhalten, müssen Pflegekräfte in Bereichen eingesetzt, dokumentiert und nachgewiesen werden, in denen sie nicht benötigt werden. Dafür fehlen sie dann an anderer Stelle.
  • Untergrenzen bedeuten vor allem Zählen und Dokumentieren. Doch das bloße Zählen von Köpfen verbessert nicht die pflegerische Versorgung und entlastet auch nicht die Pflegekräfte. Sie bewerten die Untergrenzen selbst als „keinesfalls hilfreich“ und kritisieren den hohen Dokumentationsaufwand, wie eine Umfrage zeigt.
  • Insbesondere für Spezialversorger sind die Untergrenzen undifferenziert und schädlich. In einigen Bereichen (z. B. konservative Akut-Orthopädie, neurologische Frührehabilitation, Diabetologie) besteht neben der examinierten Pflege ein erhöhter Bedarf an Fachpersonal wie z. B. Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberatern, die in der PpUGV nicht berücksichtigt werden.
  • Hinzu kommt, dass die Datenanalysen zur Berechnung der Untergrenzen nicht öffentlich und die daraus resultierenden Untergrenzen daher nicht nachvollziehbar sind.

Der BDPK spricht sich für die Abschaffung der Pflegepersonaluntergrenzen aus. Statt diese jährlich zu erweitern, sollten Patientensicherheit, Versorgungsqualität und Mitarbeiterzufriedenheit gezielt gefördert werden. Beispielsweise durch die Förderung pflegeentlastender Maßnahmen im Pflegebudget, durch die Beseitigung von Elementen der Unterfinanzierung (Investitionsdefizit der Bundesländer) oder der Erhöhung der Attraktivität des Pflegeberufs (z. B. durch die Übernahme ärztlicher Aufgaben). Parallel sollte konsequent die Qualität der pflegerischen Versorgung gemessen und verbessert werden (z. B. Dekubitusraten) und neue Indikatoren zur Ergebnisqualität geschaffen werden. Sollte die Politik auch weiterhin an den Pflegepersonaluntergrenzen festhalten, so müssten die Datenanalysen durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) veröffentlicht werden, damit die Krankenhäuser die Ermittlung der Untergrenzen nachvollziehen können. Zudem muss darauf geachtet werden, etablierte Versorgungskonstellationen in speziellen Bereichen nicht zu gefährden.

Pflegepersonalquotient

Parallel zu den Pflegepersonaluntergrenzen wird seit 2020 der Pflegepersonalquotient (§ 137j SGB V) errechnet. Dieser beschreibt das Verhältnis der Anzahl der Vollzeitkräfte des Pflegepersonals in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen zum Pflegeaufwand eines Krankenhauses. Im letzten Berichtszeitraum wurde mit dem GVWG seine erstmalige Veröffentlichung beschlossen. Am 4. Oktober 2021 wurde er erstmalig für alle Krankenhäuser auf der Seite des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) ausgewiesen.

Die Berechnung des Pflegepersonalquotienten durch das InEK ist intransparent und nicht nachvollziehbar. Zudem besteht für die Krankenhäuser aktuell kein Korrektur- und/oder Widerspruchsverfahren, z. B. für den Fall der Übermittlung fehlerhafter Daten . Die Datenbasis ist 2020, sodass die Pflegepersonalquotienten aufgrund unterschiedlich starker Fallzahlrückgänge infolge der Corona-Pandemie nur beschränkt aussagekräftig sind.

Aufgrund der Dopplung zu den Pflegepersonaluntergrenzen und seiner mangelnden Aussagekraft, lehnt der BDPK den Pflegepersonalquotienten ab. Hält die Politik weiter am Pflegepersonalquotienten fest, ergibt es keinen Sinn, parallel weitere Instrumente einzusetzen. Die transparente Berechnung des Pflegepersonalquotienten sowie die Einführung eines Korrektur- und/oder Widerspruchsverfahrens sind für die Akzeptanz des Pflegepersonalquotienten unbedingt erforderlich.

Pflegepersonalbemessung

Als Alternative zu den Pflegepersonaluntergrenzen fordert die DKG gemeinsam mit dem Deutschen Pflegerat (DPR) und der Gewerkschaft ver.di die Einführung eines Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstruments. Entscheidender Vorteil: Anders als kleinteilige Untergrenzen, kann der Personalbedarf hier im Rahmen eines Ganzhausansatzes festgestellt werden.

Von der Politik wurde der Vorschlag aufgegriffen und wird derzeit auf zwei Ebenen verfolgt: Im Rahmen des GVWG wurde die Selbstverwaltung beauftragt, im Einvernehmen mit dem BMG, die Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur Personalbemessung in der Pflege im Krankenhaus bis zum Ende des Jahres 2024 sicherzustellen (§ 137k SGB V). Die erforderlichen Unterlagen wurden dem BMG fristgerecht übermittelt. Da eine Rückmeldung noch aussteht, verschiebt sich der Zeitplan dementsprechend nach hinten.

Der Koalitionsvertrag sieht vor, die sogenannte Pflegepersonalregelung 2.0 (PPR 2.0) als Übergangsinstrument kurzfristig einzuführen.

Der Fachausschuss Krankenhäuser und die Arbeitsgruppe PPR 2.0 haben das Thema im Berichtszeitraum eng begleitet und Kritikpunkte formuliert, die bei der Einführung unbedingt beachtet werden müssen:

  • Die Minutenwerte der PPR 2.0 stellen keine objektiven Werte dar. Sie berücksichtigen nicht, dass Krankenhäuser unterschiedliche Größen haben und sind insbesondere für Spezialversorger (z. B. Diabetologie, konservative Orthopädie, Rheumatologie, neurologische Früh-Reha, Herzchirurgie) nicht sachgerecht. In der Praxis würde die PPR 2.0 zu einem erheblichen Mehrbedarf an Pflegepersonal führen.
  • Etablierte Versorgungskonzepte dürfen nicht gefährdet werden. Der bereits in den Kliniken vorhandene Qualifikations- und Personalmix muss erhalten bleiben. Dies betrifft insbesondere interdisziplinär arbeitende Pflege- und Therapeutenteams.
  • Aufgrund des bestehenden Fachkräftemangels einerseits und des sich aus der PPR 2.0 ergebenden Mehrbedarfs an Fachkräften müssen auch therapeutisches Personal, weitere Gesundheitsfachberufe, Personal im medizinisch-technischen Dienst, Auszubildende, sonstiges Pflegepersonal und Hilfskräfte angerechnet und refinanziert werden können.
  • Ein Pre-Test (durchgeführt von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) zur Handhabbarkeit und Umsetzbarkeit der PPR 2.0 erfolgte lediglich an sieben Tagen in 44 Krankenhäusern. Repräsentativität ist damit nicht gegeben.

Wenn die PPR 2.0 eingeführt wird, so muss dies aus Sicht des BDPK stufenweise geschehen und zugleich zum Wegfall der Pflegepersonaluntergrenzen führen. Zudem müssen unterschiedliche Berufsgruppen im Sinne eines bereits auf den Stationen gelebten Organisationsmix und funktionellen Pflegeverständnisses angerechnet und refinanziert werden können. Wichtig ist auch die Berücksichtigung und Finanzierung von therapeutischen Spezialisten außerhalb der Pflege, die Tätigkeiten der aktivierend-therapeutischen Pflege bei  Spezialversorgern wahrnehmen.