Reha in Not

Die Krise weitet sich aus

Hunderten deutscher Reha-Kliniken droht der Konkurs, einige mussten bereits Insolvenz anmelden. Auslöser für die bedrohlicher werdende wirtschaftliche Schieflage sind die Coronapandemie, inflationsbedingte Preissteigerungen und nicht refinanzierte Personalkosten.

Jede vierte deutsche Reha-Klinik ist laut Schätzungen derzeit von Insolvenz bedroht. Bei rund 1.100 vorhandenen Einrichtungen wären dies knapp 280 Kliniken. Die Zahl könnte je doch wesentlich größer sein, denn nach aktuellen Umfragen beurteilen mehr als die Hälfte der Kliniken ihre wirtschaftliche Lage als schwierig und zwei Drittel sind über die weitere Entwicklung besorgt. Wie Medienberichten zu entnehmen ist, mussten einige Reha-Kliniken bereits Insolvenz anmelden oder den Betrieb einstellen, darunter die Klinik Lohrey und die Rhönblick-Klinik in Bad Soden, die Caspar-Heinrich-Klinik in Bad Driburg, die Rheuma-Kurklinik Schaumburg, die Reha-Klinik Wüsthofen in Bad Salzschlirf, die Bavaria-Klinik in Freyung und die Median Klinik Schelfstadt.

Zur Beendigung der Krise fordert der BDPK von der Politik folgende konkrete Maßnahmen:

Ausgleichszahlungen verlängern:
Das BMG verlängert die Ausgleichszahlungen nach § 111 Abs. 5 Satz 5 und § 111 c Abs. 3 Satz 5 SGB V bis zum 23. September 2022 per Rechtsverordnung. Die Bundesregierung verlängert das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz bis zum 23. September 2022 per Rechtsverordnung.

Fortführung des Coronazuschlags der DRV:
Wenn die Krankenkassen zur Fortführung der Ausgleichszahlungen verpflichtet werden, führen DRV, DGUV und PKV den Hygienezuschlag ebenfalls fort. Der BMG-Entwurf zum COVID-19-SchG enthielt eine Anschlussregelung für pandemiebedingte Mindererlösausgleiche und Mehraufwendungen ab 24. September 2022. Im Kabinettsbeschluss wurde diese Regelung gestrichen – sie sollte unbedingt wieder aufgenommen und um die DRV, DGUV und PKV ergänzt werden!

Gesetzlich geregelter Inflationszuschlag:
Der Gesetzgeber regelt, dass die Einrichtungen einen Inflationszuschlag auf bestehende Vergütungssätze erhalten. Dies ist erforderlich, da Reha-/Vorsorgeeinrichtungen anders als in anderen Branchen ihre Vergütungssätze nicht anpassen können, da diese für ein Jahr gelten und es außerhalb der festgelegten Termine keine Budgetverhandlungen mit den Kostenträgern gibt.

Auslöser der Krise

Wesentlichen Anteil an der Notlage der Kliniken hat die Coronapandemie. Die Belastungen wurden durch Hilfsleistungen nur  teilweise ausgeglichen und nahezu  alle  Hilfsleistungen endeten zum 30. Juni 2022. Die Pandemie führt zu Coronamehrkosten durch gesetzliche Infektionsschutz- und Hygieneauflagen (zum Beispiel für zusätzlichen Bedarf an persönlicher Schutzausrüstung, höheren Aufwand für Catering, Abstandsregelungen erfordern kleinere Patientengruppen sowie mehr Räume und mehr Personal, höherer Personalaufwand durch Coronatests). Gleichzeitig sind die Belegungszahlen der Reha-Einrichtungen seit Beginn der Coronapandemie massiv zurückgegangen, teilweise um bis zu 40 Prozent. Nach wie vor gibt es viele Ausfälle bei der Belegung. Die oftmals kurzfristigen Absagen und vorzeitigen Abreisen der Patienten aufgrund von positiven Tests oder Quarantäneanordnungen können die Kliniken nicht steuern.
Die GKV hat in den Jahren 2020 und 2021 für Reha und Vorsorge rund eine Milliarde weniger ausgegeben als im Jahr 2019, die DRV schätzungsweise 500 Millionen Euro weniger. Nachdem der Coronaschutzschirm für die Reha zum 30. Juni endete, bekommen die Einrichtungen weder einen Minderbelegungsausgleich von der GKV noch Ausgleichszahlungen für Personalkosten und keinen Hygienezuschlag der DRV, GKV, DGUV, PKV. Stattdessen fordert die DRV von den Reha-Kliniken die Rückzahlung der nach dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) ausgezahlten Zuschüsse. Viele Kliniken sollen die erhaltene SodEG-Hilfe trotz erheblicher pandemiebedingter Patientenrückgänge vollständig zurückbezahlen, was angesichts ihrer angespannten finanziellen Lage nicht leistbar ist. Wenig nachvollziehbar sind die Rückforderungen auch deshalb, weil die Reha-Ausgaben der DRV im Jahr 2020 fünf Prozent niedriger waren als im Vorjahr und unter Berücksichtigung der geforderten Rückzahlungen weiter sinken würden.

Inflation und Vergütungssystem

Weiteres schwerwiegendes Problem für die Reha-Kliniken sind steigende Energiepreise sowie Preissteigerungen in anderen Bereichen. Die Kliniken sind überproportional von den derzeitigen Preisentwicklungen betroffen, weil sie sehr viel Energie benötigen und diese nicht ohne Weiteres einsparen können. Die durchschnittlichen Kostensteigerungen für die Reha-Kliniken betrugen je nach Indikation im Jahr 2019 zwischen fünf und zehn Prozent und im Jahr 2022 zwischen 14 und 22 Prozent. Damit liegen die Kostensteigerungen bei ihnen bereits etwa doppelt so hoch wie die Inflationsrate. Aufgrund der starren Vergütungsmechanismen können die Kliniken diese Kosten aber nicht kurzfristig weitergeben.

Personalmangel und -kostensteigerungen

Hinzu kommt, dass den Reha-Kliniken die aktuellen Personalkostensteigerungen nur ansatzweise refinanziert werden. Das führt im Kampf um die immer schwerer zu findenden Fachkräfte zu klaren Wettbewerbsnachteilen – und zu einem gravierenden Personalmangel in Reha-Kliniken. Durch eine Vielzahl von politischen Maßnahmen haben die Gehälter von Pflegekräften und Therapeuten in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Heilmittelpraxen in letzter Zeit deutlich zugelegt. Während diese Leistungserbringer die Personalkostensteigerungen durch höhere Preise und Pflegebudgets weitgehend refinanziert bekommen, wurden Reha und Vorsorge hier von der Politik alleingelassen. Mit dem Ergebnis, dass sich in Krankenhäusern, Pflegeheimen und niedergelassenen Heilmittelpraxen mehr Geld verdienen lässt – weshalb die Zahl der Kündigungen in den Reha-/Vorsorgeeinrichtungen deutlich ansteigt. Auftrieb hat diese Entwicklung auch mit der Einführung der Pflegepersonaluntergrenzen bekommen, weil hierfür zusätzliche examinierte Pflegekräfte akquiriert werden müssen. Die Abwanderung ist nicht allein auf die Pflege beschränkt. In der Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie konkurrieren Reha-Einrichtungen mit niedergelassenen Heilmittelerbringerpraxen. Diesen wurde zuletzt von der Bundesschiedsstelle eine Vergütungsanpassung um 14,09 Prozent zugesprochen – mehr als viermal so viel wie die Kliniken im vergangenen Jahr durchschnittlich durch Vergütungsverhandlungen dazubekamen.

Folgen der Krise

Wenn weitere Reha-Kliniken schließen müssen und Reha- Leistungen wegbrechen, ist die Gesundheit von dringend Reha-bedürftigen Menschen gefährdet. Das wird schwerwie- gende Folgen haben. Hinzu kommt, dass Tausende Beschäf- tigte ihren Arbeitsplatz verlieren könnten. Im ersten Pandemiejahr 2020 wurden 300.000 Reha-Patient:innen weniger behandelt als im Vorjahr. Dies sind 300.000 Menschen, die keine Reha bekommen haben, sie aber gebraucht hätten. So ist zum Beispiel im Bereich Familie die Kinder-Reha in der Rentenversicherung um 30 Prozent zurückgegangen, die Reha für Mütter und Väter in der GKV hat sich mehr als halbiert. Die Zahl der Anschlussrehabilitationen nach Krankenhausaufenthalt ist um 74.000 in der GKV gesunken. Diese Tendenz droht sich fortzusetzen. Ursache des Rückgangs ist nicht etwa ein sinkender Reha-Bedarf, dieser nimmt seit Jahren zu. Ein weiterer Rückgang der Reha-Leistungen wird dramatische Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung haben, ein Anstieg von Erwerbsminderungs- und Pflegeanträgen ist zu befürchten.

Der BDPK appelliert an das Bundesgesundheitsministerium und die Regierungsfraktionen im Bundestag, die Reha- und Vorsorgeeinrichtungen nicht weiter im Stich zu lassen und die sich ausweitende Krise zu beenden!