Hier sehen Sie Inhalte des BDPK e.V.

Stellungnahme zum Lebensleistungsanerkennungsgesetz

Stellungnahme des BDPK vom 13.4.2012 zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anerkennung der Lebensleistung in der Rentenversicherung (RV-Lebensleistungsanerkennungsgesetz).

Das RV-Lebensleistungsanerkennungsgesetz sieht vor, bei der Begrenzung der Reha-Ausgaben eine temporäre Demografiekomponente zu berücksichtigen. Der Ankündigung folgt jedoch keine konkrete Erhöhung des Budgets. Im Gegenteil wird das derzeitige, nicht ausreichende Budget trotz des weiter steigenden Bedarfs bis 2017 festgeschrieben.

Die aktuellen Ankündigungen der Ministerin in der Presse, bei der Reha Effezienreserven heben zu wollen, können wir für die Kliniken in privater Trägerschaft nicht nachvollziehen. Auch eine Diskussion über die Verlagerung von Leistungen nach § 31 SGB V für Kinder und Krebskranke Menschen in die Gesetzliche Krankenversicherung ist entschieden zurückzuweisen und würde zu einer massiven Verschlechterung der Versorgung führen.

Arbeits- und Sozialpoliker im Deutschen Bundestag sehen sofortigen Handlungsbedarf. Durch die Beibehaltung der nicht bedarfsgerechten Deckelung der Ausgaben für Rehabilitationsleistungen wird die Absicherung der Arbeits- und Fachkräfte konterkariert. Erwerbsminderungsrentner haben ein fünffach höheres Risiko, von späterer Altersarmut betroffen zu sein, jeder 10. Empfänger von Erwerbsminderungsrenten ist auf Grundsicherung angewiesen. Mit einer zeitnahen Anpassung des Budgets an den Teilhabebedarf könnten vorzeitige Rentenbezüge vermieden werden und Fachkräfte im Job verbleiben. Deshalb fordern wir die sofortige Erhöhung des Budgets.

Mit der derzeitigen Systematik des Reha-Budgets in der Deutschen Rentenversicherung ist der Anstieg des Rehabilitationsbedarfs nicht mehr abzudecken. Der steigende Rehabilitationsbedarf lässt sich an der Zahl der gestellten Rehabilitationsanträge ablesen. Während im Jahr 2005 insgesamt 1,3 Millionen Anträge auf Rehabilitationsleistungen gestellt wurden, ist die Zahl im Jahr 2011 auf 1,7 Millionen, also um 30 %, angestiegen. In der Altersgruppe der 60 bis 65-Jährigen hat sich der Anteil der Erwerbstätigen vom Jahr 2000 von 21 Prozent auf 45 Prozent im Jahr 2010 mehr als verdoppelt.

Über 45-jährige haben einen größeren Reha-Bedarf als jüngere Menschen. Mit der Alterung der geburtenstarken Jahrgänge der Generation der „Babyboomer“ nimmt der Anteil der Erwerbstätigen in dieser Altergruppe stark zu. Während im Jahr 2000 insgesamt 12,9 Mio. Menschen dieser Altersgruppe erwerbstätig waren, ist diese Zahl im Jahr 2010 bereits auf 17,1 Mio. Menschen angestiegen2. Dies entspricht einem Zuwachs von mehr als 30 Prozent in 10 Jahren. Unverständlich ist daher, warum die vorgesehene Demografiekomponente erst im Jahr 2017 einsetzen soll, da zu diesem Zeitpunkt der Höchstpunkt der „reha-intensiven“ Altersgruppe bereits überschritten sein wird. Die Generation der Babyboomer hat das reha-intensive Alter bereits erreicht und wird schon im Jahr 2016 ihr Maximum erreichen.
Die Vorgabe, nach der eine Überschreitung des Reha-Budgets sich auf das Budget des Folgejahres auswirkt, steht einer eigenverantwortlichen, sachgerechten Mittelverwendung der DRV entgegen.

Unweigerlich führt das derzeitige Rehabilitationsbudget dazu, dass Leistungsanträge aus Gründen der Einhaltung des Reha-Budgets abgelehnt werden. Anders ist die weitgehende Einhaltung des Reha-Budgets trotz gestiegener Antragszahlen nicht zu erklären. Um Einsparungen zu erzielen, hat die Deutsche Rentenversicherung bereits pauschal die Behandlungsdauer für alle Indikationen gekürzt. Weitere Leistungskürzungen, wie Verweildauerverkürzungen oder Streichung von notwendigen Therapien, sind nicht möglich, ohne die Wirksamkeit der Rehabilitationsleistungen zu gefährden.

Gefahr droht auch den Rehabilitationsleistungen der Rentenversicherung für Kinder- und Jugendliche, die als Ermessensleistungen nach § 31 SGB VI erbracht werden. Aus Budgetzwängen würden diese Mittel für Rehabilitationsleistungen für Erwachsene verwendet.
Es ist dringend notwendig, ein Zeichen zuverlässiger Sozialpolitik durch die sofortige Anhebung des Reha-Budgets zu setzen. Wer Altersarmut nachhaltig bekämpfen will, darf nicht zulassen, dass Menschen vor Erreichen der Regelaltersrente wegen Krankheit auf den Bezug von Erwerbsminderungsrenten angewiesen sind. Es muss alles versucht werden, diese Menschen im Job zu halten.

Ein Gesetz, das einerseits Zurechnungszeiten für Erwerbsminderungsrentner verlängert, um sie als Altersrentner wirtschaftlich besser zu stellen und auf der anderen Seite die Mittel für notwendige Rehabilitationsleistungen, mit denen der Bezug von Erwerbsminderungsrente verschoben oder verhindert werden kann, ist eine rentenpolitische Farce. Wir sehen daher folgenden Änderungsbedarf:

  1. Berücksichtigung des zu erwartenden Teilhabebedarfs zusätzlich zu der voraussichtlichen Entwicklung der Bruttolöhne und –gehälter je Arbeitnehmer bei der Festsetzung der jährlichen Ausgaben im Bereich der allgemeinen Rentenversicherung und der knappschaftlichen Rentenversicherung für Leistungen zur Teilhabe bereits ab dem Jahr 2013.
  2. Streichung der Vorgabe in § 220 Abs. 1 Satz 2 SGB VI, nach der die Deutsche Rentenversicherung eine Überschreitung der Reha-Ausgaben aus dem Reha-Budget kompensieren muss.

Faktencheck: Was bringt die Reha?

Um Arbeitskräfte im Erwerbsleben zu halten, ist es erforderlich, zunächst in Rehabilitationsmaßnahmen zu investieren. Diese Investition zahlt sich letztendlich für alle aus:
Die Versicherten verbleiben länger im Erwerbsleben, ideal bis zum planmäßigen Renteneintritt

  • Rund 85 Prozent aller Rehabilitanden im erwerbsfähigen Alter verbleiben innerhalb der nächsten zwei Jahre nach einer medizinischen Rehabilitation im Berufsleben.
  • Dadurch zahlen sie Beiträge in die Renten- und Sozialversicherungen sowie Steuern.
  • Der vorzeitige Bezug von Erwerbsminderungsrenten sowie Sozialleistungen wird vermieden.
  • Dem Arbeits- und Fachkräftemangel kann durch die Gesunderhaltung älterer Arbeitnehmer begegnet werden.
  • Altersarmut kann so wirksam verhindert werden. Versicherte, die wegen Erwerbsunfähigkeit vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden, erhalten später geringere Regelaltersrenten und tragen ein erhebliches Risiko, wegen lückenhafter Beitragszahlung von Altersarmut betroffen zu sein.
  • Investitionen in die Beschäftigungssicherung älterer Menschen ist ein wichtiger Beitrag zur Generationengerechtigkeit. Es ist dringend geboten, Menschen zu befähigen, bis zum planmäßigen Renteneintritt erwerbstätig zu sein. Dies schont die Rentenkassen und entlastet jüngere Arbeitnehmer von unnötiger Beitragszahlung.

Welche Kosten und welcher Nutzen entstehen?

Eine erfolgreiche medizinische Rehabilitation amortisiert sich für die Deutsche Rentenversicherung bereits ab dem vierten Monat nach Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit durch den Rehabilitanden. Auf Basis der Diskussion des sozialmedizinischen Verlaufs über fünf Jahre konnte bei 18% der Rehabilitanden der DRV des Jahres 1997 eine Erwerbsminderung vermieden werden (Rische 2006).

Insgesamt zahlten diese Personen 1,9 Mrd. € an Rentenbeiträgen, außerdem konnten 2,5 Mrd. € an Frührentenzahlungen eingespart werden. Der gesamte Ertrag der Rentenversicherung belief sich somit auf 4,4 Mrd. €. Dem standen Kosten der medizinischen Reha zzgl. Folgeleistungen in Höhe von 2,7 Mrd. € gegenüber. Unter den gemachten Annahmen haben sich aus Sicht der DRV die Ausgaben für die Reha damit mit einer Ersparnis von 1,7 Mrd. € gelohnt.